Ludwig Mecklenburg, Mondnacht in Venedig
Nocturne am Canal Grande, der seit dem Barock vornehmlich in der Musik verwandte Begriff des "Nocturne [dt.: Nacht werdend]" im Sinne von "Nachtgesang" wurde im übertragenen Sinne vielfach auch in der bildenden Kunst verwandt und erfährt in vorliegendem Gemälde ein treffliches Exempel, nächtliche Stille liegt über der Lagunenstadt, der Maler dieses reizenden Kabinettstücks setzt den Betrachter seines Werkes in einen Kahn auf dem Canal Grande, zwischen den ankernden Segelbooten und Gondeln streicht der Blick übers stille Wasser zur Benediktinerabtei San Giorgio Maggiore auf der gleichnamigen Insel jenseits des San Marco-Beckens, rechts erhebt sich die Dogana da Mar, das ehemalige Zollgebäude, mit seinem markanten Turm an der Spitze der Insel Dorsoduro, dort wo Canal Grande und der Giudecca-Kanal ins San-Marco-Becken münden, weiter rechts am Bildrand erscheint schemenhaft die mächtige Kuppel der Kirche Santa Maria della Salute, links, vom fahlen blaugrauen Mondlicht erleuchtet, säumen herrschaftliche Palazzi den Kanal, im Zentrum des Gemäldes jedoch ruht die runde Scheibe des Mondes, der mystisch von Wolken und einer schwachen Regenbogenaura umfangen wird und taucht die ganze Szene mithin in ein effektvolles Licht, das Gemälde atmet Stille und Kontemplation, lediglich einige im roten Widerschein der Kerzen erleuchtete Fenster der Palazzi und sonstiger Gebäude künden von der Gegenwart ihrer Bewohner, erst auf dem zweiten Blick wird man beim genauen Hinsehen der Schiffer und Gondolieri gewahr, die ungerührt ihrer Tätigkeit nachzugehen scheinen oder dem spektakulären Naturschauspiel beiwohnen, das Gemälde besticht durch seine große Raffinesse, so gelang es dem Maler mit der Position des Mondes nahezu am Schnittpunkt der Diagonalen im Gemälde einen geradezu hypnotischen Ruhepol zu schaffen und durch dessen leichte Verschiebung nach oben der Komposition zusätzlich Spannung zu verleihen, auch die Lichtführung wurde bedacht gewählt und erschöpft sich durchaus nicht in einer allgemein romantischen Erleuchtung der Szenerie, vielmehr stilisiert Ludwig Mecklenburg den Mond mit seiner Aura zu einer symbolischen, geradezu göttlichen Erscheinung, deren Licht sich in der Eingangstür zur darunter liegenden Kirche San Giorgio Maggiore fortsetzt und sich schließlich übers Wasser bis zum Betrachter des Gemäldes ergießt und ihn somit ins Bildgeschehen einbezieht, darüber hinaus ist es sicher kein malerischer Zufall, dass die auf dem Turm der Dogana da Mar befindliche bewegliche Statue der Schicksals- und Glücksgöttin Fortuna direkt zum Mond weist, kompositorisch bediente sich der Künstler eines Kunstgriffs, die realistisch aufgenommene Architektur und Topographie würde der Szene mit den links dargestellten Palazzi ein Ungleichgewicht verleihen, welches er durch die im Bild festgehaltene Spitze der Insel Dorsoduro und vor allem durch die rechts ins Bild ragenden Segel und Masten der Fischerboote vor der Kuppel von Santa Maria della Salute gekonnt ausglich, fein lasierende, romantische Vedutenmalerei mit feinster Farbabstufung und gekonnten Lichteffekten, bereits früh rühmten seine Zeitgenossen den jungen Künstler wegen seiner luministischen Brillanz und Akkuratesse, so schreibt ein Rezensent zur Berliner Kunstausstellung 1850 im Deutschen Kunstblatt "... Aber als ob diese Canaletto´sche Kühle einmal zu Venedig gehörte, so pflegt sie selten den Nerly´schen Ansichten zu fehlen. Und doch haben wir bei dieser Gelegenheit eine Darstellung der Piazetta [von Venedig] von [Ludwig] Mecklenburg zu erwähnen, welche in vollster Sonnenglorie brennend, durch seine gelungene Ausführung die angenehmste Wirkung hervorbrachte. ..." und das Künstlerlexikon Müller-Klunzinger würdigt den Künstler 1864 "... das Innere des Domes in Mailand mit trefflicher Perspektive; Parthie aus dem Kreuzgang S. Bernardino in Verona; einige kleine Architekturstücke bei Mondbeleuchtung mit feiner Zeichnung und gutem Tone ..." und ergänzt 1870 "... bringt fortwährend malerische Architekturbilder in pikanter Durchführung, die sich dem Besten auf diesem Gebiete anreihen ...", Öl auf Leinwand, um 1860, rechts unten signiert und ortsbezeichnet "L. Mecklenburg München", Craquelure, gereinigt und etwas restauriert, gerahmt, Falzmaße ca. 48 x 70,5 cm. Künstlerinfo: eigentlich Heinrich Louis Christian Mecklenburg, dt. Landschafts-, Veduten- und Architekturmaler, Graphiker und Lithograph (1820 Hamburg bis 1882 München), Schüler des Hamburger Vedutenmalers und Kupferstechers Johann Joachim Faber, bereiste wie sein Lehrer mehrere Jahre Italien und hielt sich länger in Venedig und Verona auf, zunächst tätig in Hamburg, ab 1843 zusammen mit Ferdinand Piloty Studium an der Akademie München, danach in München freischaffend, Mitglied im Hamburger Künstlerverein von 1832, beschickte Ausstellungen in Bremen, Hannover, München, Berlin und Hamburg, vertreten in der Münchner Pinakothek, Quelle: Thieme-Becker, Saur "Bio-Bibliographisches Künstlerlexikon", Bruckmann "Münchner Maler des 19./20. Jh.", Matrikel der Münchner Akademie, Wikipedia, "Der neue Rump", Müller-Klunzinger, Müller-Singer, Seubert, Deutsches Kunstblatt und Boetticher.