5048 Prof. Dr. h.c. Albin Egger-Lienz, “Die Quelle"
Darstellung eines ärmlich gekleideten Tiroler Bauern in lichter Sommerlandschaft liegend, seinen Durst an einer kleinen Quelle stillend, pastose Genremalerei mit breitem Pinselduktus in zurückhaltender Farbigkeit, das gut erhaltene Gemälde ist unrestauriert und wurde neuzeitlich gerahmt, lichte Rahmenmaße ca. 32 x 47 cm, das vorliegende Motiv “Die Quelle” entspringt eben jener von Dr. Hammer beschriebenen Spätphase und schien den Künstler ab 1923 nachhaltig zu beschäftigen, so verzeichnet das Werksverzeichnis von Wilfried Kirschl im Band II, auf den Seiten 569-570 unter den Nummern M590 bis M603 allein 13 Fassungen unterschiedlicher Größe und Ausführung des vorliegenden Motivs, weitere Varianten der “Quelle” kamen in den zurückliegenden Jahren auf dem Auktionsmarkt zum Ausruf und erfreuten sich regen Interesses, allen gemein ist die gespiegelte Wiedergabe der hier vorliegenden Szene, Egger-Lienz zeigt in dieser scheinbar flott skizzierten, in seiner Verknappung der Details an Skulpturen Constantin Meuniers erinnernden Szene einen Mann unbekannten Alters, bäuchlings auf karger Wiese liegend, seine schlichte Kleidung aus Holzpantinen, Hose, Hemd und Hut verorten ihn im bäuerlichen Milieu, die Wiese auf der er liegt, ist in der Sonne verdorrt, nur ein kleiner Quell im ausgemergelten Boden verspricht Labung und Leben, die Figur erscheint nicht nur physisch, sondern auch ideell dieser seiner Heimatscholle besonders nah und nimmt auch die Mühsal eben jener unbequemen, gar demütigen Haltung auf sich, um an das kostbare Nass zu gelangen, sie steht somit emblematisch für das harte, schlichte, entbehrungsreiche Leben der ländlichen Bevölkerung, der sich Egger-Lienz zeitlebens verbunden und verpflichtet sah, aus der Sicht des im Überfluss Lebenden wird diese Szene unverständlich bleiben - sie erschließt sich nur dem, der wie Egger-Lienz im Ersten Weltkrieg die Not ständig vor Augen hatte, als sogar vermeintliche Selbstverständlichkeiten Luxus waren, Egger-Lienz huldigt in seinem Gemälde nicht nur dem schlichten Bauernstand, sondern vielmehr auch der, neben dem Wasser, alles Leben spendenden heimatlichen Scholle, wenn Dr. Josef Garber ein Jahr vor Entstehung unseres Gemäldes in der Zeitschrift “Schlern” vom 01.06.1923 schrieb “... Dabei wird der Bauer allerdings mehr als zu einer zufälligen Erscheinung im gesellschaftlichen Leben. Egger verkörpert in ihm den Menschen überhaupt. Seine Bauern werden die Träger jener unmittelbaren Zusammenhänge der Menschheit mit Gott und der Natur, die diese Menschenklasse in ihrem gott- und naturnahem Dasein zwanglos zum Symbol der ewigen Gesetze des Werdens, Seins und Vergehens prägt. ...”, so nahm er die Quintessenz vorliegenden Motives dezidiert vorweg, das vorliegende Gemälde entstand wenige Monate vor dem überraschend frühen Tod des Künstlers und kann gleichsam als Mahnung zur Ehrfurcht vor der Natur und Vermächtnis betrachtet werden, Öl auf Platte, links unten betitelt “Die Quelle” und rechts unten signiert und datiert “Egger-Lienz [19]24”, so eindringlich das Motiv ist - so tragisch stellt sich auch die mit dem Gemälde verbundene Provenienz des Werkes dar, das Gemälde stammt aus dem Besitz der Franzi Grundtner (eigentlich Franziska, geboren am 25.12.1889 in Peuerbach), die junge Frau und der akademische Maler Rudi Grundtner heirateten am 26.01.1914 in Sarntheim, beide schätzten zu diesem Zeitpunkt bereits den Maler Albin Egger-Lienz, wie aus beigegebener Originalkorrespondenz hervorgeht, luden sowohl Braut als auch Bräutigam den Maler zu ihrer Hochzeit ein, Egger-Lienz konnte, wie er in zwei Schreiben mitteilte, der Einladung nicht nachkommen, in der Folge entspann sich ein sehr persönlicher Briefwechsel von Franzi Grundtner mit der Ehefrau Laura Egger-Lienz (11.06. 1877 Wien bis 22.10.1967 Wien), so gibt der Briefwechsel auch darüber Auskunft, dass nach Geburt der Tochter Hertha der Vater und Ehemann Rudi Grundtner seine zu diesem Zeitpunkt im thüringischen Ilmenau ansässige Familie in Stich ließ und unbekannt verzog, im Briefwechsel beklagt Frau Grundtner ihre schwierige Situation und ersucht Frau Egger-Lienz danach ihr, soweit bekannt, die neue Anschrift ihres Ehemannes zukommen zu lassen - was schließlich auch geschah, auch der - offensichtlich noch mit Rudi Grundtner verkehrende Albin Egger-Lienz ließ sein Mitgefühl für Franzis Schicksal über seine Frau Laura bestellen, so schreibt diese in einem Brief vom 3.01.1925 “Sehr geehrte Frau Grundtner! ... Mir tut es von Herzen leid, Sie leidend und in so traurigen Verhältnissen zu wissen und auch mein Mann möchte Ihnen so gerne ein wenig behilflich sein, aus diesem Grunde sendet er mit gleicher Post eine kleine Skizze von seiner Hand an Sie ab, in der Hoffnung, daß sie dieselbe vielleicht an irgend eine Persönlichkeit (Arzt, Fabrikant oder dergl.) aus Ihren Umgangskreisen verkaufen könnten und Ihnen daraus vielleicht eine kleine materielle Hilfe werden könnte; mein Mann meint Sie sollten für die Arbeit etwa 200 Goldmark verlangen. ... Ihre Laura Egger-Lienz”, tatsächlich findet sich im beigegebenen Nachlasskonvolut auch ein Packpapierfragment, welches von Albin Egger-Lienz an “Franziska Grundtner, Ilmenau in Thüringen, Topfmarkt 12/1” adressiert und am 7.01.1925 in Bozen abgestempelt wurde. Der in unterschiedlichen Zuständen vorliegende Nachlass besteht je aus einer Visitenkarte von Laura und Albin Egger-Lienz, einem Zeitungsausschnitt der “Münchner Illustrierten Presse” und der “Deutschen Illustrierten” mit Beiträgen zum Tod des Künstlers, einer Kopie der Todesannonce von Albin Egger-Lienz, einer Kopie von Fotos, der Verheiratungsanzeige des Ehepaar Grundtner und Dokumenten von Franziska Grundtner, darüber hinaus fünf Fotos des Ehemanns mit Automobilen sowie 20 Briefen und Karten meist von Laura Egger-Lienz. Künstlerinfo: eigentlich Ingenuin Albuin Trojer, 1877 Annahme des Vaternamens Egger, nannte sich ab ca. 1891 als Künstler nach dem Ort seiner Kindheit Albin Egger-Lienz, bedeutender österreichischer Maler, Zeichner, Illustrator, Freskant und Graphiker (1868 Stribach bei Lienz in Tirol bis 1926 St. Justina-Rentsch bei Bozen), zunächst Lehre zum Kirchenmaler bei seinem Vater, dem Kirchenmaler und Fotografen Georg Egger und gefördert vom Maler Hugo Engl, studierte 1884-93 an der Akademie München bei Karl Raupp, Gabriel von Hackl und Wilhelm von Lindenschmit dem Jüngeren, beeinflusst von Franz von Defregger, Alois Gabl, Mathias Schmid, Ferdinand Hodler und Jean-François Millet, anschließend freischaffend in München,1899 Übersiedlung nach Wien, 1909-10 Mitglied der Wiener Secession, 1912-13 Professor an der Großherzoglichen Kunstschule Weimar, als Professor an die Wiener Akademie, 1924-25 Ausgestaltung der Kriegergedächtniskapelle in Lienz mit Fresken, 1900-26 Mitglied der Genossenschaft bildender Künstler Wiens (Künstlerhaus) und Gründungsmitglied des Hagenbundes, beschickte seit 1894 regelmäßig die Große Berliner Kunstausstellung, den Glaspalast München, das Wiener Künstlerhaus und die Wiener Secession sowie die Weltausstellung in Paris 1900 und ab 1922 die Bozner Kunstbiennalen, 1925 zum Ehrendoktor der Universität Innsbruck und zum Ehrenbürger von Lienz ernannt, Quelle: Thieme-Becker, Vollmer, Saur “Bio-Bibliographisches Künstlerlexikon”, “Der Schlern” vom 01.06.1923, Matrikel der Münchner Akademie, Dressler, Deutsche Biographie und Wikipedia.